Alle Beiträge von Wilhelm Krautwaschl

Strukturentwicklung ist aus sich noch keine Kirchenentwicklung

Begonnen hat es mit der Lektüre von „7 fette Jahre“. Es ging weiter mit „Kirche, die über den Jordan geht“ und „Glänzende Aussichten“ bis hin zu „Es ist möglich“. Es gab einige Studientage mit ihm und anderen, die im Norden Deutschlands Kirchenentwicklung „von innen her“ in Angriff genommen haben. Darüber hinaus habe ich mehr oder weniger die aus solchen Veranstaltungen heraus resultierenden Veröffentlichungen „lokaler Kirchenentwicklung“ gelesen: ich muss sagen, mich lassen die Gedanken, die Christian Hennecke sagt und niederschreibt nicht los. Mehr noch aber das Leben, über das er berichtet und das er in seiner neuesten Veröffentlichung „Seht, ich schaffe Neues – schon sprosst es auf“ in Zitation von Jes 43,19 in Interviewform eben herausgebracht hat. Auch wenn ich hin und wieder in seinen Blog schaue: Da wird aus Liebe zu unserer Kirche dieselbe „schmackhaft“ dargestellt, weil sie unterwegs ist und immer mehr sie selber wird. Da ist nichts Bitteres, da ist keine Jammerei und damit auch kein lähmender Blick „zurück“ zu spüren. Da wird von „Aufbruch“ gesprochen, der freilich auch den Karfreitag kennt; da wird einem Freude gemacht an Kirche, weil Taufe und damit Berufung ernst genommen werden und der Priester im Volk Gottes als der erscheint, der er von Amts wegen wirklich ist, nämlich Diener am Volk. Da wird nichts ausgelassen – nicht die Frage nach der „Zugehörigkeit zur Kirche“ und auch nicht Überlastungsphänomene, über die geklagt wird – weil die Sendung im Blick ist und damit die „Fleischwerdung“ des Wortes Gottes in unserer Welt. Da wird davor gewarnt, einfach zu kopieren und Kirchenentwicklung „von innen“ als bloße Methode des Zugewinns möglichst vieler Mitglieder zu verstehen usw. usf.
Allein die einfachen Bilder, die am Ende des Büchleins Kirchenentwicklung vor Augen führen und dem Lumko-Institut Johannesburg in Südafrika bzw. Bukal ng Tipan auf den Philippinen zu verdanken zu verdanken sind, sind „einkehrtags-tauglich“ und laden ein, mich zu bekehren, denn ohne die noch deutlichere Hinwendung zum Auferstandenen, der in seiner Kirche lebt, wird’s nicht gehen!
Ich frage mich zugleich aber auch: „Wie kann all das, das mir so einleuchtend erscheint, bei uns noch mehr Platz greifen?“ Und ich nehme mich sofort bei der Nase und beginne aufmerksamer auf das zuzugehen was mich umgibt, denn: „Seht her, nun mache ich etwas Neues. Schon kommt es zum Vorschein, merkt ihr es nicht?“ heißt es bei Jesaja. Gott ist also vor meiner Zimmertür – und hoffentlich auch mitunter innerhalb meiner eigenen 4 Wände – am Werk: hier bei mir im Augustinum, in Schwierigkeiten und Machtspielchen die mir tagaus, -ein auch in Pfarren – an Orten also, die sich Kirche nennen! – begegnen, in den Menschen, die mir über den Weg rennen – ob jung oder alt – usw. Und ich frage mich zunehmend: „Wie lange braucht diese Schule der Aufmerksamkeit, um mehr und mehr ’nur‘ das im Blick zu haben, was Gott wirkt, was ER will, wohin ER uns führt?“
Ach ja: solche „Aufbrüche in der Kirche“ gibt es nicht nur in Hildesheim, dort sind manche schon „verfilmt“ …

Welche Videos, nein: welche Erfahrungen könnte und müsste ich hier aufführen? Und: sind für mich „72h ohne Kompromiss“ oder CarLa-Läden oder der run4unity oder … oder … oder … wirkliche und authentische Erfahrungen von „Kirche“? Und was ändert sich dann für mich und mein Priestersein? Was für das „herkömmliche“ Verständnis von „Kirche als Gemeinde“?

Pfarre – parochia: nichts Statisches, sondern Antwort auf heutigen Lebensstil!

Mit „Pfarre“ verbinden wir üblicher Weise etwas, das „in Stein gemeißelt“ ist, schier „ewigen Bestand“ habe. Doch umschreibt der Begriff etwas sehr „Fragiles“. Erfahrungen von Christian Hennecke in Poitiers zeigen Lebendigkeit „neuer Pfarren“. Spannend! Ob das auch auf uns zukommt?! Denn: es geht um „lokale Kirchenentwicklung“!

Spannendes Leben

Es gäbe „Kodifizieren des Glaubens in Regeln und Anweisungen, wie es die Schriftgelehrten, die Pharisäer und die Gesetzeshüter taten. Alles ist dann klar und ordentlich, aber das gläubige und suchende Volk wird weiter Hunger und Durst nach Gott haben.“ So sprach Papst Franziskus vor den Teilnehmern eines internationalen Kongresses über sein Lehrschreiben „Evangelii gaudium“ am 19. September 2014. Der Wortlaut seiner Ansprache liegt  – zumindest derzeit – nur italienisch vor; Radio Vatikan veröffentlichte Auszüge daraus auch auf deutsch.
Allein dieser Satz macht deutlich, wie positiv spannend das Leben ist: es gilt, das Evangelium – also die Treue zu Gott – im Heute unserer Tage – also Treue zur Welt und den Menschen – zu leben. Jede/r ist daher herausgefordert, Evangelium in die Tat umzusetzen und damit in jene oft komplexen Wirklichkeiten, die uns tagaus, -ein begegnen. Einfache Antworten sind meist plakativ und alles andere als geeignet die volle Wirklichkeit des Menschseins einzufangen. Andererseits: ohne die klaren und deutlichen Wegmarkierungen und Orientierungshilfen sind wir als Menschen oft und oft überfordert, wüssten wir wohl nur allzuoft weder aus noch ein.
Es kann also nicht darum gehen, bloß das Gesetz zu verteidigen, es gilt, sich mit den Menschen und daher auch mit unserem eigenen Dasein auf die Suche nach Gott zu machen und beständig das Fragen einzuüben: „Was bedeutet diese Orientierung, diese Wegmarkierung jetzt, heute und hier?“
So zu leben ist meines Erachtens alles andere als Beliebigkeit. Es ist eine Herausforderung, die sich täglich unter das „Kreuz“ begibt.

Zentralafrika

Ich bin neben ihm gesessen, als don Justin Nary aus der Zentralafrikanischen Republik beim Treffen „networking 2014“  seine Erfahrung erzählt hat. Die ging unter die Haut: ein römisch-katholischer Priester, der sich schützend vor Muslime gestellt hat, die sich zu ihm geflüchtet hatten. Ich dachte mir, als ich ihm zuhörte: „Wie klein doch unsere Fragen und Probleme sind.“ don Justin: ein wirklicher Mann Gottes!
„Ob ich auch fähig wäre bzw. bin meinen Glauben so wie er zu leben?“

Die Bischofssynode naht – Tl 2

Am 5.9. habe ich hier 2 unterschiedliche Stellungnahmen von 2 Bischöfgen angesichts der nahenden Synode gepostet. Bischof Stefan Oster fügt den Gedanken seines Amtsbruders Bonny aus Antwerpen das eine oder andere Bedenkenswerte hinzu. Ein Diskurs ist eröffnet, gemeinsames Hören auf das, was „der Geist den Gemeinden sagt“ – so jedenfalls verstehe ich es, und so wird es wohl auch auf den beiden Bischofssynoden zum Themenbereich „Ehe und Familie“ heuer und im kommenden Jahr zugehen ….

Nehmt einander an

„Nehmt einander an, wie auch Christus uns angenommen hat, zur Ehre Gottes.“
Dieser Satz aus dem Neuen Testament, aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer (Kapitel 15,7; kurz also: Röm 15,7) begleitet mich und viele rund um den Globus im Monat September 2014. Es lädt mich ein, den Kompass „Bibel“ für mein alltägliches Leben einzusetzen. Für mich im Augustinum, dem Bischöflichen Zentrum für Bildung und Berufung der Diözese Graz-Seckau ist dies täglich Herausforderung. Ich begegne hier tagaus, -ein hunderten – zumeist jungen – Menschen. Und da gilt es für mich: jeden anzunehmen wie ihn Christus angenommen hat. Spannend, wirklich spannend.
Gestern Abend: ich komme aus dem Speisesaal, einer der Burschen aus dem Internat kickt eine am Boden liegende anscheinend leere Plastikflasche an die Wand. Ich hab mich runtergebeugt, sie aufgehoben und in den daneben stehenden Papierkorb geworfen …

Oder: wir sitzen – so wie gestern Abend – in einer kleinen Runde (Seminaristen, ein Priester unserer WG, ein Ehemaliger, ein Erzieher und einer seiner Freunde) zusammen und lesen den Kommentar zu diesem „Wort des Lebens“, den die Gründerin der Fokolarbewegung Chiara Lubich, vor einigen Jahren erstmals veröffentlicht hat. Und plötzlich wird uns klar, obwohl jeder von uns in praktisch anderen Lebenssituationen  unterwegs ist: so miteinander umzugehen lohnt sich! Von beinahe allen „sprudeln“ eigentlich nur so Erfahrungen heraus aus den letzten Wochen, in denen es galt, genau dieses Wort zu leben. Wiewohl es – scheinbar jedenfalls – in unseren Breiten eine Selbstverständlichkeit ist, jeden anzunehmen, machen wir uns gegenseitig darauf aufmerksam, wie notwendig es ist, sich das selbst immer und immer wieder in Erinnerung zu rufen. Nicht nur dann, wenn es um „brenzlige“ Themen geht, also etwa den Umgang mit Ausländern, den mit Farbigen, den mit Andersgläubigen etc. – Es beginnt schon damit, etwa mir selbst klar zu werden, dass ich oft und oft Freunde nur dort habe und suche, wo ich mich selbst gut wohlfühle, oder dass ich die oft verzwickten und verwundenen Lebenswege von (jungen) Menschen nicht anhören will, weil es ja auch „einfacher gehen würde“ usw. usf.

Ich jedenfalls bin gespannt, ob ich die Schritte mit der Heiligen Schrift, die ich diesen Monat zu gehen versuche, „fruchten“, ob mir also dieses Wort wirklich eines zum Leben wird …

Die Bischofssynode naht

Die außerordentliche Synode der Bischöfe naht. Immer wieder begegne ich auch in der virtuellen Welt dieser Tatsache. Nicht nur, dass das „instrumentum laboris“, also das Arbeitspapier, das Grundlage für die Beratungen sein wird und Zusammenfassung der weltweiten Umfrage Papst Franziskus‘ ist, seit geraumer Zeit online steht. Nein: in den letzten Tagen bin ich auch über ausführlichere Stellungnahmen zweier Bischöfe gestolpert, die diese zu Themen der Synode „veröffentlicht“ haben: Stefan Oster aus Passau und der Antwerpener Bischof Johann Bony. Die erstere ist über die Bistumswebsite zugänglich, auf die zweite machte die FAZ  aufmerksam – einige fehlherhaften Übersetzungen finden sich in der Denkschrift, die über die Seite der Belgischen Bischofskonferenz online gestellt wurde.
Deutlich wird nach einer ersten kurzen Lektüre für mich: Für diese Synode, die ja in 2 Teilen (2014 bzw. 2015) angelegt ist, heißt es, den Heiligen Geist zu erbitten. Denn es geht ja darum, dass der Auferstandene seine Kirche im Heute begleitet und vorantreibt – auch und gerade in den vielen Fragen rund um Ehe und Familie. Und dazu ist es nötig, dass unsere Verantwortungsträger ihre Meinung und Sicht nicht beschönigen, sie voll und ganz „in die Mitte“ legen. Die beiden Bischöfe tun es im Vorfeld, es gibt wohl auch weitere, denke ich. Auf der Synode ist man dann ja in „Seinem Namen“ versammelt, sprich: jeder mit seinem Blickwinkel bringt sich voll und ganz ein. Da scheint aufs erste vielleicht das eine oder andere nicht sehr kompatibel zu sein mit der Meinung anderer auf der Synode. Aber: Wenn dies in Seinem Namen geschieht, dann ist ER, der Auferstandene, der Herr, inmitten der Seinen, weil dann ER Antworten finden lässt. Die Anlage der Synode soll meines Erachtens diesem gemeinsamen Suchen nach Seiner Antwort dienen … Allein das lässt hoffen.

Kirchen-Entwicklung

In diesen Tagen bin ich wieder über einen Artikel und damit bedenkenswerte Sätze von Hans-Joachim Sander gestolpert, die ich mir ins Stammbuch für mein Priestersein und damit auch die Entwicklungen, die Kirche zu gehen hat, schreiben muss:

„Entscheidend sind nicht die Entscheidungen der Kirche über ihre pastorale Administrierung, sondern was das für die Weitergabe des Glaubens bedeutet. Die Pfarrverbände, also das Teilen des Pfarrers, sind rechtfertigungspflichtig gegenüber der Fähigkeit der Kirche, den Glauben zu teilen im Sinne von partager. Welche missionarischen Effekte lassen sich dadurch erzielen, oder welche Mission wird dadurch unmöglich? Pfarrverbände sind auch Seelsorgeräume. Entscheidend ist dabei die Identifizierung mit den Räumen. Denn Räume sind stets von mehr belebt und bewohnt als von denen, die man dabei im Blick hat. Diese Räume sind von Diskursen durchzogen und von Orten geprägt, die prekär sind, weil sie keine Utopias sind, sondern „andere Räume“ darstellen. „Andere Räume“ sind Orte, die es tatsächlich gibt und denen man nicht ausweichen kann, obwohl sie Anfragen darstellen, die selbstverständliche Ordnungsmechanismen aufbrechen und konterkarieren. Michel Foucault nennt sie Heterotopien. Es gibt sie im großen Maßstab dort, wo Menschen um die Anerkennung ihrer Würde ringen müssen. Und es gibt sie im kleinen Maßstab dort, wo Menschen in ihrem Leben von etwas durchkreuzt werden, das sie in radikal veränderte Lebensperspektiven stellt. Diese Heterotopien sind bedeutsame Orte in den Seelsorgeräumen. Wenn die Aufteilungsart der Pfarrer in einem Pfarrverband das Entdecken, Aufsuchen und Sich-Aussetzen dieser Andersorte befördert, dann passt es in die komplexe Wirklichkeit Kirche. Wenn aber das Gegenteil geschieht, dann wird diese Teilungstaktik der societas perfecta die Kirchenkrise verstärken und ihren gesellschaftlichen Abstieg beschleunigen. Den christlichen Gott glauben, setzt mit der anderen Teilungsart an, dem Teilen von Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, insbesondere der Armen und Bedrängten aller Art. Diese Teilungsart hat unseren Glauben über die Jahrhunderte hin begleitet und gestärkt. Sie wird sich auch jetzt wieder durchsetzen, aber es kann sein, dass es auf Kosten der Kirche als societas perfecta geht. Aber darauf kommt es nicht wirklich an, wenn gilt: „Versammelt im Namen des Herrn“.
In: Sander Hans-Joachim: Pfarrverbände – den Pfarrer oder den Glauben teilen?, in: Österreichisches Liturgisches Institut (Hg.): Heiliger Dienst 67(2013) Nr. 1, 43-49, hier: 49.