offroad in Guatemala

Und wieder mal bei mir dieses eigenartige Gefühl: nach einiger Zeit offroad gelangen wir in ein Dorf – diesmal hoch über Santa Cruz del Quichè in Guatemala – und besuchen dort ein Projekt, das österreichische Organisationen hier auf die Füße gestellt haben: nach der Messe, die festlich gestaltet wurde – viele der 50 Familien des Dorfes nahmen daran teil – werden uns mit Stolz die Errungenschaften dieser agrarökonomischen Initiative gezeigt: aus 9 angekauften Schafen wurden schon 18, die unter den Familien, die am Projekt teilnehmen, schon aufgeteilt wurden und ein kleines „Glashaus“, in dem Tomaten und Paprika biologisch gezogen werden – der Weg dorthin ist alles andere als eine „Autobahn“, aber da das Wasser erst ab einem bestimmten Punkt abgezweigt werden darf, musste dieses eine von mittlerweile mehreren „Glashäusern“ weitab von der Besiedlung in einem Graben aufgestellt werden. Auf meine Frage, wie denn das Ganze nach der Unterstützung von „Horizont 3000“ und dem Konfinanzier DKA weitergehen würde, wurde sofort geantwortet, dass das vom Projektpartner Sozialpastoral/Caritas der Diözese Quiché begleitete Projekt so gestaltet wurde, dass auch andere (Klein-)Bauern eingeschult werden.

Die Zahlen sind alles andere als groß-artig, aber: die Menschen in diesem Dorf – das Nachbardorf ist nicht einmal an das Stromnetz angeschlossen – haben Hoffnung und wollen (!) was aus ihrem Dasein hier machen. Das ist wirklich überzeugend schön und für mich jedenfalls sehr berührend. Denn: wo Hoffnung ist ist Freude und ist Glaube. Das wird auch in der einfachen Feier der Messe deutlich und darin, wie sehr sich die Bewohner des Dörfchens, das noch zur Dompfarre gehört (auch wenn es wie wohl die anderen rund 50 Dörfer, die zu ihr gehören, weit außerhalb – in unserem Fall also etwa 45 Minuten außerhalb der Stadt liegt) auf diesen Tag der Begegnung mit mir mir als Bischof gefreut haben – so etwa wurde mir erzählt, dass sich die Dorfbewohner schon gestern abend in ihrer kleinen Kirche versammelt haben, um beim Rosenkranzgebet für einen gelungen Tag mit mir zu beten.

Und wieder mal „dieselben“ Fragen an unseren Glauben, den wir frei und den wir in ganz anderen als diesen herausfordernden Situationen leben können …

Was bleibt vom WYD in Panama?

Was hat sich in die hunderttausenden in diesen Tagen beim größten event der katholischen Kirche, ihrem Weltjugendtag in Panama, eingegraben? Wenn die Frage doch nur so einfach zu beantworten wäre. Einige Annäherungen …

  • Jetzt: die einfache und alles andere als „lange“ Ansprache des Papstes auf dem großen Feld „Johannes Paul II.“ im Metro Park – und wohl bald eine Wohnsiedlung. Auf dieses „Jetzt“ kommt es an – nicht auf das, was vielleicht sein wird, das „probieren wir es halt“ oder das bloße Träumen. Und das in einem zumindest zweifachen Sinn: die Jugend ist das „Heute“ der Kirche, nicht erst ihre Zukunft. Denn an ihr wird jetzt (!) deutlich, wie Kirche sein könnte, sein wird in einigen Jahren … Und: im Augenblick, in meinem Alltag spielt sich das Leben ab, nicht im Irgendwo – und hierfür ist unser Glaube „geschaffen“.
  • Lieben: niemand ist es nicht wert geliebt zu werden. In seiner Art hat der Papst die Menge in der Vigil zum Sonntag an Grundlegendes dessen erinnert, das mit unserem Christsein verbunden ist. Einige Zeugnisse von Menschen über Lebenssituationen, die für sie herausfordernd waren, standen am Beginn der abendlichen Andacht und machten deutlich, wie gut und nötig es ist, der Liebe keine Grenzen zu setzen. – Freilich: im Konkreten ist Liebe mitunter alles andere als „eitle Wonne“ – auch das wurde in den Lebenszeugnissen deutlich. Aber sie ist die DNA derer, die sich zu Christus bekennen.
  • Brücken: Schon bei der Eröffnung an der modernen Strandpromenade von Panama-City machte der Papst deutlich, dass unser Glaube einer ist, der verbindet. Und daher wir als Nachfolger Jesu Christi Brückenbauer sind, weil auch ER die Brücke zwischen Himmel und Erde – Gegensatz pur! – in Person ist. Wie leicht es doch jungen Menschen gelingt, die um dasselbe Ziel wissen [mit Ergriffenheit habe ich einen jungen Kuwaiti vor mir, der ganz nah beim Papst zu sitzen kam und seiner Freude darüber eindeutig zum Ausdruck gebracht hat].
  • Auseinandersetzung: Alles andere als einfach ist die Weltgegend, in der dieser Weltjugendtag stattgefunden hat. Es passt zum mittlerweile „sprichwörtlichen“ „an die Ränder gehen“, von dem Papst Franziskus immer wieder spricht. Und in den Pilgern und deren oft wild geschwungenen Flaggen waren die „hotspots“ dauernd präsent. Das musste nicht mit Verve angesprochen werden: Venezuela, Nicaragua und wie die Orte der Herausforderungen auch immer heißen mögen, in denen Jugendliche sich als Gläubige zu bewähren haben: in dieses Leben sind sie hinein gestellt. Und wir als Menschen aus einer wirklich begnadeten Weltgegend, sind gerufen, sie „drin“ zu haben – denn: wir alles sind ein Leib in Christus, wie es auch in einer der Sonntagslesungen geheißen und bei der Kommunion während der großen Aussendungsmesse gesungen wurde. Und darauf kommt es an.
  • Mit den Jugendlichen; uns Erwachsenen hat der Papst an einer Stelle bei der Nachtfeier auch kräftig ins Gewissen geredet: er hat uns aufgefordert, tatsächlich auf die Jugendlichen zu hören, um daraus – und die Synoden vergangenen Herbst ist ja ein Beispiel dafür – nach Wegen zu suchen, die wir als Kirche gehen können. Sind wir wirklich Hörende, bin ich wirklich Hörender?

Noch manches müsste, sollte, könnte benannt werden. Einige Annäherungen an vielleicht Bleibendes sollen genügen.

P.S.: Das, was ich hier geschildert habe, ist eben auch Kirche und verdient, da es sich täglich in kleineren Dosen vor Ort ereignet auch entsprechende Wahrnehmung. So wie bei den Debatten unter und mit den Jugendlichen hier so manches angegangen und angefragt, auch debattiert wurde, so ist eine Kirche, in der wie aufeinander achtgeben und zugehen etwas, was dem mehr entspricht, was unser Herr und Meister sich von uns gedacht hat und wohl auch von uns erwartet. Freilich: es gibt Skandale, keine Frage, aber Hoffnung und damit Glauben werden auch (und: vor allem?) durch solche Erfahrungen eingesenkt in die „Erde des Lebens“. Ich sehe keinen Grund, trotz allem (!) Kirche und ihre Erfahrungen herunterzuspielen (irgendwo war in diesen Tagen etwa von Zehntausenden die Rede, die hier gewesen seien; meine Erfahrung vor Ort war eine andere: auch wenn der Weltjugendtag hier keine der Dimensionen angenommen hat, die er in Krakau oder früher in Manila erreicht hat – er ist eben auch hier (!) und damit in Panama vor sich gegangen). Ja: m.E. wäre auch in der öffentlichen Wahrnehmung das eine oder andere Stellrädchen zu drehen, denn Kirche ist eben katholisch …

Glaubenserneuerung

Ein Moment unter vielen, das einem auf den Weltjugendtagen immer wieder anspricht, ist das Sakrament der Versöhnung, die Lebens- und die Glaubenserneuerung schlechthin. Ist diese Feier in unseren Breiten in Europa fast „ausgestorben“, erfreut sie sich hier wie an anderen „herausragenden“ Orten eigentlich großer Beliebtheit. Ob bei den Katechesen oder auch im „Jugendpark“ mit vielen einfachst gestalteten Beichtstühlen im Freien, unter Bäumen: viele, die hier sind, wissen darum, dass sie da und dort in ihrem Leben zu kurz gegriffen haben, da und dort versagt haben … und sie begeben sich aufs Neue in die Hand des Barmherzigen Vaters, der seine Arme weit auch für sie ausgestreckt hat.

Eine solche Lebens-Einstellung tut vielfach not, denn sie macht ernst damit, dass unser Dasein hier in dieser Welt nie und nimmer „nur“ vollkommen ist. Wir sind unterwegs. Wir harren der Vollendung. Und wenn wir das – selbstverständlich – annehmen, ist es im Umkehrschluss „notwendig“, damit umgehen zu lernen. Wenn ich mich selbst auch noch so mühe: ich greife letztlich aus mir selbst zu kurz – und: ich muss mir gar nicht einbilden, der „Nabel der Welt“ zu sein, jener archimedische Punkt, um den sich alles dreht. Macht nicht eine solche mitunter auch sehr subtil vermittelte Einstellung manchen, vielen (?) – zumal jungen Menschen – Angst, bringt eine solche Einstellung nicht viele unter gewaltigen Druck des „ich muss genügen“, sonst „nicht genügend“?

Wie gut doch da unser Glaube tut. Er nimmt den Menschen ernst, überfordert ihn nicht und lädt ein, eben nicht „der/die zu bleiben“, die wir sind, sondern uns immer und immer wieder neu beginnend nach dem auszustrecken, der uns vervollkommnet. Dank sei Gott, um den wir wissen, und der uns herausruft aus unserer vielleicht gleichgültigen Lebensweise. Ja: ER geht! Und: Er geht mit mir!

Unterwegs mit Heiligen

Schon bei der Eröffnungszeremonie des Weltjugendtages hier in Panama wurde deutlich, dass die Erneuerung des Glaubens ein wesentlicher Aspekt dieses Großereignisses ist. Und dieser ist in der Weltgegend, in der wir uns derzeit befinden, ein mehr als Herausgeforderter. Was nämlich heißt und ist „Christusnachfolge“ in diesen Tagen in Venezuela? Was bedeutet Jünger/in Jesu sein heute in El Salvador, Nicaragua? Zum wem wissen wir Christen uns in Kolumbien, in Brasilien usw. gesendet? Und – das wurde ich nach der Katechese am 24. auch gefragt: „Wenn wir uns wirklich als Diener bewähren: müssen wir nicht damit rechnen, ausgenützt zu werden?“

Christsein bedeutet immer auch Bekenntnis – in Gegenden wie Europa ist dieser wesentliche Aspekt nicht so ausgeprägt, auch wenn es schleichend da und dort sichtbar wird – grosso modo aber ist der Glaube an Jesus Christus bei uns zu Hause in Freiheit zu leben. Hier aber, wo Menschen großteils nach wirklicher Freiheit ringen, wo die Schere zwischen „arm“ und „reich“ extrem breit auseinandergeht, ist die Sendung gefragt: die Welt soll mehr und mehr dem entsprechen, was Gott in sie hineingelegt hat. Hier, wo es an der Tagesordnung steht, dass Christsein eben mehr sein muss als sich zum Gebet zu versammeln, kann es auch sein, dass man das leibliche Leben riskiert, wenn man im Namen Jesu auf Ungerechtigkeiten hinweist – und gerade deswegen ist es gut, richtig und schön, wenn unter den Patronen des Weltjugendtages in Panama auch Menschen wie Oscar Arnulfo Romero, San Joselito oder Schwester Romero Meneses sind, die sich für gerechtes Leben, gesundes Leben und Ähnliches, das für uns eigentlich zum „selbstverständlichen Vokabular“ gehört, eingesetzt haben …

Wie schon gestern gesagt: angesichts der Herausforderungen, in denen Menschen hier in Lateinamerika Christsein leben müssen, nehmen sich manche europäische Debatten reichlich „akademisch“ aus. Hier geht es um Grundfragen des Menschen – und so wie unser Herr und Meister in Heilungen immer wieder dieses, also das irdische Leben, gerettet und ermöglicht hat, so müssen (!) Christen sich im Heute auch dafür engagieren, sonst werden sie der Verkündigung der Frohen Botschaft nicht gerecht. Einsatz für das Leben in all seinen Facetten, persönlich und in der Gesellschaft, lässt sich nicht trennen vom Bekenntnis, sondern ist Bekenntnis. Nicht mehr und nicht weniger. Katholisch eben.

Panama

Als ich am Abend des Empfangs unseres Papstes beim Weltjugendtag in Panama zu Fuß in mein Quartier aufgebrochen bin wurde mir der scharfe Gegensatz deutlich, den es hier zu leben gilt: gleich neben den großen Straßen gibt es einfachste Viertel … Als ich ins Taxi gestiegen war, fragte mich der Chauffeur, was ich denn hier in diesem (!) Viertel gesucht hätte. Ich antwortete ihm: „Sie fahren ja auch hier …“. Not und Elend unmittelbar neben dem Reichtum der Welt. Wie ist das auszuhalten? Ein Bischof, mit dem ich kurz gesprochen habe, meinte: „75% der Bevölkerung hier leben von der Hand in den Mund.“ –

Gestern Abend die Erkenntnis bei einem Gespräch: vor einigen Jahren hatte Panama rund 3 Millionen Einwohner, mittlerweile sind rund 600.000 aus dem wieder in die Schlagzeilen gekommenen Venezuela hinzugekommen – eine junge Frau bediente mich zu Mittag im Restaurant.  – Not und Elend unmittelbar neben dem Reichtum der Welt. Und: was macht das mit mir? Im reichen Österreich?

Gott sei Dank sind wir mit offenen Augen hier unterwegs – die rund 60 Jugendlichen der Reise der KJ Steiermark zum Weltjugendtag. Gott sei Dank hören wir hier den Erzbischof, der meint, dass ein „Ausweichen“ und „Weggehen“ meist nichts bringt, denn Jugend ist Hoffnung – und die gilt es ihr auch zu bereiten. Gott sein Dank hören wir Papst Franziskus, der deutlich macht: Christus ist die Hoffnung der Menschheit, die in diesem Tagen in Panama präsent ist – in ihrer Verschiedenheit und dennoch eins.

Wie anders ich doch angesichts dieser Erfahrungen so manche akademische Auseinandersetzung in Österreich sehe, wie anders ich doch – zum wiederholten Mal in „Entwicklungsländern“ und damit jungen Kirchen entdecke, wie abgehoben sich Debatten bei uns mitunter gebärden angesichts wirklich drängender und dringender Fragestellungen des Lebens. Und: wie sehr wir uns nicht einfach verabschieden können und dürfen von dieser, unserer Welt – wir haben ja nur eine. Und die ist unsere Heimat. Weil wir katholisch sind.

„Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.“

Katechese auf dem Weltjugendtag in Panama

Im Folgenden „dokumentiere“ ich die Vorbereitung der Katechese auf dem Weltjugendtag in Panama, die ich vor Ort dann frei gehalten habe.

1. Ich habe mich in der Kleinstadt, in der ich groß geworden bin, immer und immer wieder für die und in der Kirche engagiert. Kein Wunder: ich bin ja auch 200 m neben der Stadtpfarrkirche in Gleisdorf groß geworden. – Mich einzubringen mit meinen Fähigkeiten war aber nicht nur in der Kirche gefragt: in der Schule war ich nicht gerade der Schlechteste – außer in Leibesübungen („Bewegung und Sport“) und in Deutsch – für einen Steirer ist das bekanntlich die erste lebende Fremdsprache :-). Ich kann mich noch gut erinnern, dass wir immer und immer wieder zu Hause bei mir zusammengesessen bin um für irgendeinen Gegenstand gemeinsam lernten, in dem sich einige meiner Mitschüler schwer getan haben. – Mein Vater war neben seinem Dasein als Kleinlandwirt auch Bestatter: kein Wunder, dass ich mich da als Familienmitglied schon von klein auf engagierte und bei vielem, was so in einer Landwirtschaft zu tun ist oder auch bei den Dingen, die mit dem Tod von Menschen zusammenhängen, meine Freude hatte. „Ohne mich“ so dachte ich des öfteren „sind die ja aufgeschmissen ..:“. – Eigentlich, wenn ich mich recht erinnere: es gab da in der Sekundarstufe II (bei uns heißt das Oberstufe) wohl kaum einen Nachmittag, den ich zur Gänze zu Hause verbrachte: mein Engagement im Jungendkirchenchor, bei den Jungschar-Gruppenleitern und für die Ministranten haben mich dann auch noch am Wochenende und am Sonntag in Beschlag genommen … Ich war aktiv, ich wollte was – mit meinen Fähigkeiten – weiterbringen, kein Zweifel. Irgendwie steckt das in meinem Blut und bedeutet darüber hinaus: ich meine, dass es gut ist sich reinzuhauen. Es zeugt auch davon, dass ich Hoffnung habe und damit mir selbst zusage und deutlich mache: Es geht weiter, mit mir und der Welt.

2. Wenn ich da so in die Runde blicke, schaue ich in viele Augen, aus denen ich Ähnliches herausblitzen sehe: „Ich möchte was tun. Ich bin jung – und ich möchte meine Fähigkeiten einbringen können. – Nur: Wo?“
Daher lade ich Euch ein, kurz mit Eurem unmittelbaren Nachbarn Euch mal auszutauschen, was so Eure Fähigkeiten sind und wo Ihr Euch wirklich reinwerft … – (Macht es bitte wirklich nur zu zweit und versucht dabei auch, nicht zu viele andere zu stören …)
Austausch (2 Minuten)

3. Darüber hinaus habe ich die Entdeckung gemacht: ich habe meine Fähigkeiten nicht für mich allein erhalten, sondern dafür, sie einzusetzen für das Gelingen der Gemeinschaft. Mehreres fällt mir dazu ein: meine Fähigkeiten habe ich erhalten. – Weil ich an Gott glaube, sage ich sofort dazu: Weil ich davon überzeugt bin, dass Gott Liebe ist und mich daher unendlich liebt , entdecke ich, dass Gott mir zu Diensten ist, indem er mich mit verschiedenen Begabungen ausstattet. Ja: so ist Gott! Er dient uns. – Im Übrigen ist das ja auch die erste Bedeutung, wenn wir von „Gottesdienst“ sprechen: da haben wir immer wieder im Blick, dass wir Gott dienen, aber eigentlich feiern wir, dass er mir dient – und alles, was ich tue ist nichts anderes als eine Antwort auf Seine Liebe.
Ganz besonders deutlich wird dies im 1. Lied der Christenheit, das uns im Brief an die Gemeinde in Philippi überliefert ist. Dort heißt es (jemand liest es vor):
„Macht meine Freude vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid, einander in Liebe verbunden, einmütig, einträchtig, dass ihr nichts aus Streitsucht und nichts aus Prahlerei tut. Sondern in Demut schätze einer den andern höher ein als sich selbst. Jeder achte nicht nur auf das eigene Wohl, sondern auch auf das der anderen. Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht: Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihr Knie beugen vor dem Namen Jesu und jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr zur Ehre Gottes, des Vaters“ .
Also: Jesus hat uns in Seinem Leben eine neue Art des Daseins gezeigt und selbst vorgelebt. Sein Leben, das des Himmels (!), hat er auf die Erde gebracht – und dieses „gegenseitig Diener sein“, wie es uns geschildert wird, hat tatsächlich die Kraft in sich, die Welt um uns herum zu ändern. Denn: wenn wir einander dienen, wenn einer den anderen jeweils höher einschätzt als sich selbst, machen wir ernst damit, dass der Mensch eine Würde hat, die ihm durch nichts und niemanden genommen werden kann. Und dieses Leben der Welt und den Menschen anzusagen, ist dringend notwendig heute. Ihr (!) habt es in der Hand, Euch dem entsprechend in die Gestaltung der Welt einzubringen.

3. Manche heute verstehen „Dienst“ allerdings etwas demütigendes (auch wenn „Demut“ eigentlich „Mut zum Dienen“ bedeutet): ich muss mich klein machen, bin daher eigentlich nichts wert usw. – Und mitunter wird dann auch noch die Kirche dafür verantwortlich gemacht, dass sie die Menschen unterdrücken und klein machen bzw. klein halten würde. Wenn ich aber das Evangelium ernst nehme – in seiner Gesamtheit, wenn ich das wirklich dann ist eigentlich das gerade Gegenteil der Fall: Denn Gott selbst hat uns ja schon längst „groß“ gemacht – Maria singt ja davon (!), damit wir so leben, wie er gelebt hat. Und „Dienst“ ist ja Ausfluss der bzw. Antwort auf die Liebe, die Gott uns erwiesen hat. Und daher ist Dienen nicht Ausdruck der Demütigung, sondern Ausdruck dafür, dass wir in Freiheit jene Liebe weiterschenken, die wir selbst erfahren haben.
Daher möchte ich Euch einladen, einmal darüber kurz in Stille nachzudenken darüber, wo jede/r von uns Seine Liebe im persönlichen Leben erfahren hat. Denn: nur (!) dann, wenn ich wirklich bis ins Innerste überzeugt bin, dass ich geliebt bin, dass ich unendlich wertvoll bin, weil Gott mit mir ist, werde ich so leben können und Dienst als Befreiung, als Ausdruck von Liebe verstehen.

Stille zum persönlichen Nachdenken

4. Noch einmal: Jesus und damit Gott ist der erste, der mir, der uns zu Diensten ist. Der uns liebt – bis ins Letzte und sich daher auch klein macht: Eine Bibelstelle aus dem Johannes-Evangelium, die uns wohl allen gut bekannt ist, macht dies deutlich:
Jemand anderer aus der Grazer Gruppe liest die Fußwaschung vor:
“ Es war vor dem Paschafest. Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen. Da er die Seinen liebte, die in der Welt waren, liebte er sie bis zur Vollendung. Es fand ein Mahl statt und der Teufel hatte Judas, dem Sohn des Simon Iskariot, schon ins Herz gegeben, ihn auszuliefern. Jesus, der wusste, dass ihm der Vater alles in die Hand gegeben hatte und dass er von Gott gekommen war und zu Gott zurückkehrte, stand vom Mahl auf, legte sein Gewand ab und umgürtete sich mit einem Leinentuch. Dann goss er Wasser in eine Schüssel und begann, den Jüngern die Füße zu waschen und mit dem Leinentuch abzutrocknen, mit dem er umgürtet war. Als er zu Simon Petrus kam, sagte dieser zu ihm: Du, Herr, willst mir die Füße waschen? Jesus sagte zu ihm: Was ich tue, verstehst du jetzt noch nicht; doch später wirst du es begreifen. Petrus entgegnete ihm: Niemals sollst du mir die Füße waschen! Jesus erwiderte ihm: Wenn ich dich nicht wasche, hast du keinen Anteil an mir. Da sagte Simon Petrus zu ihm: Herr, dann nicht nur meine Füße, sondern auch die Hände und das Haupt. Jesus sagte zu ihm: Wer vom Bad kommt, ist ganz rein und braucht sich nur noch die Füße zu waschen. Auch ihr seid rein, aber nicht alle. Er wusste nämlich, wer ihn ausliefern würde; darum sagte er: Ihr seid nicht alle rein. Als er ihnen die Füße gewaschen, sein Gewand wieder angelegt und Platz genommen hatte, sagte er zu ihnen: Begreift ihr, was ich an euch getan habe? Ihr sagt zu mir Meister und Herr und ihr nennt mich mit Recht so; denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen.“

Liebe zu erfahren und sie anzunehmen ist anscheinend alles andere als leicht – das sehe ich unter anderem in Petrus, der die Liebe die an ihm erwiesen wird, zunächst mal brüsk ablehnt. Denn: wir wollen ja wer sein und was gelten – und das aus eigener Kraft heraus. Wenn uns jemand dient, wenn uns jemand zu Hilfe kommt, ist dies alles andere als leicht anzunehmen. „Lass dir helfen! Nimm Liebe an!“ versucht Jesus in der Erzählung des Evangeliums Petrus beizubringen, „Denn dann hast du Anteil am Leben!“ So, als würde er sagen: Nicht dann, wenn Du meinst, Du kannst, Du sollst, Du musst, bist du groß, sondern wenn Du in Dein Leben wirklich Gott einlässt. – Im Übrigen: solch einen verstandenen „Dienst“ habe ich vor etwas mehr als 2 Monaten in einem Dorf im Nordosten Indiens erfahren: Als wir Gäste angekommen sind, wurde an uns das bei den Bewohnern übliche Begrüßungsritual vollzogen – unter anderem wurden uns, die wir Projekte kirchlicher Hilfsorganisationen besucht haben, die Füße gewaschen. Dies anzunehmen ist alles andere als leicht. Aber es hat mir deutlich gemacht: nicht ich selbst mache mich groß, sondern es gibt jemand, der mich bis in die tiefsten Fasern meiner Existenz wirklich ernstnimmt. Wir waren denen so wichtig und bedeutsam! Und ich dachte mir dabei auch: wie oft wir uns doch in der Welt als Österreicher, als Europäer anders benehmen und uns verstehen als die, die alles können und daher auch für alle das Beste wissen etc.
Jesus also ist der, der sich zum Diener macht. Aus Liebe. Der sich kleinmacht, damit ich persönlich groß bin. Der mich also auf den Platz stellt, der mir tatsächlich in meinem Menschsein zusteht: ich bin bedeutsam – egal wie ich ausschaue, was ich vermag oder auch was ich nicht kann; und zugleich: ich bin nicht der Nabel der Welt, der meinen müsste, dass letztlich alles von mir und von meinen Aktivitäten das Gelingen der Welt abhängen würde.

6. Das steckt letztlich wohl auch hinter der Erfahrung Mariens: Der Engel hat sich aufgemacht zu ihr und hat ihr die Botschaft gebracht, sie solle Mutter Jesu und damit Mutter Gottes werden. Also: nicht aus mir heraus bin ich groß – das erleben wir ohnedies in der großen Welt andauernd und sehen auch, was dies dann an Schicksalen in der Welt erzeugt, an Krieg, an Ausbeutung, an Ungleichbehandlung, an Fragestellungen rund um alles, was Nachhaltigkeit anlangt usw. usf. Ich bin groß und bedeutsam, weil Gott mich dazu ausersehen und -erwählt hat. Von mir aus kann ich eigentlich „nur“ sagen: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn. Mir geschehe [!], was du gesagt hast. – Siehe, ich bin der Knecht des Herrn. Mir geschehe [!], was du gesagt hast.“
Ich möchte diesen ersten Teil des heutigen Vormittags ganz einfach mit dieser Wahrnehmung Mariens beenden, die ja auch unseren Tagen hier in Panama den Namen gegeben hat: Maria hat das zuinnerst gelebt, was eigentlich für jeden Menschen gilt: indem sie sich IHM gegenüber verstanden hat als jemand, an dem Gott seinen Dienst erweist, ist sie groß geworden: „Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter. Denn der Mächtige hat Großes an mir getan und sein Name ist heilig. Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten. Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen. Er nimmt sich seines Knechtes Israel an und denkt an sein Erbarmen, das er unsern Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.“
Ich kann dann – recht – dienen, wenn ich erkenne: Gott ist mir längst schon zu Diensten. Und das hat Maria Zeit ihres Lebens, so sie uns in der Bibel begegnet, getan – sie hat immer und überall eigentlich IHN im Vordergrund gehabt:
* „Siehe ich bin die Magd des Herrn ..:“
* Sie machte Gott groß auf ihrem Besuch bei Elisabeth
* Sie bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen
* „Was er euch sagt, das tut …“ auf der Hochzeit zu Kana
* „Kind, wieso konntest du uns das antun“ als sie ihn wiedergefunden hat nach 3 Tagen im Tempel
* Und schließlich stand sie unter dem Kreuz Jesu und hat es einfach an sich geschehen lassen

Indem Maria so war wie sie uns geschildert ist, wird sie uns zum eigentlichen und entscheidenden Vor-Bild unseres eigenen christlichen Lebens: So wie sie Jesus durch dieses, ihr Dasein der Welt geschenkt hat und damit Gott in ihr angekommen ist – nebenbei: dadurch drückt Gott erst Recht aus, wie sehr er den Menschen liebt (!) – so sind auch wir berufen, indem wir Gott ganz (!) einlassen in unser Leben ihn gleichsam „zur Welt zu bringen“. Diesen Dienst, diesen Mut zum Dienen inmitten unserer Gesellschaft wünsche ich uns allen, denn dieser ist einer, der alles andere als üblich ist. Aber wir sind ja auch als Christen alternativ!

Im Rhtyhmus des/den Glauben/s bekennen

In Panama habe ich zum ersten Mal in meinem Leben amerikanischen Boden betreten. Und damit eine wieder andere Welt, andere Erfahrungen. Ich bin mit knapp 60 Jugendlichen unserer Diözese hierher zum Weltjugendtag gekommen. Abertausende junge Menschen säumen die Straßen: eine Frischzellenkur für die Kirche? Oder soll ich sagen: „Das, was weltweit vor sich geht, tut auch mir als Österreicher gut“?! Kirche ist jung. Weil Kirche weltweit wächst. Weil sich rund um den Erdball Menschen, zumal junge Menschen, auf den Weg machen, um in den Fußspuren Jesu zu gehen.

Das tut einer „alten Kirche“ mehr als not. Vielfach ist es ja so, wenn ich unsere Debatten verfolge: Glaube in und mit der Kirche – ich muss mir nur all die sicher berechtigten Debatten rund um sexuellen oder auch geistlichen Missbrauch und anderes, auch in theologisch „heißen“ Auseinandersetzungen verpackt, in Erinnerung rufen – ist, scheinbar nicht „in“. Und dabei spricht so viel Sehnsucht nach erfülltem Leben aus den Augen vieler Kinder und Jugendlicher. Ist Europa nicht mehr fähig, jungen Menschen Hoffnung zu bieten? Und, noch bedeutsamer in diesem Zusammenhang: Sind wir als Getaufte unfähig geworden, jungen Menschen den „Weg des Lebens zu weisen“, sie also an unserer Hoffnung, an unserem Glauben, teilhaben zu lassen in einer Art und Weise, die auch ihnen sich als tragend erschleßt? In meinem Suchen nach Antworten auf diese Frage geben mir Begegnungen wie Weltjugendtage oder Besuche bei Projekten unserer missionarischen und entwicklungspolitischen Projekte in den „jungen Kirchen“ Mut, nicht unbedingt Antworten. Denn: komplexe Situationen sind nicht einfach zu beantworten – und in komplexen Zeiten leben wir in „good old Europe“. Ansteckend ist der jugendliche Schwung allemal – auch für einen 55-jähringen wie mich, und seien es nur die „typischen“ lateinamerikanischen Rhythmen, die wir hier etwa schon bei der großen Eröffnungsmesse gehört haben: das lässt einen nicht kalt! Außer jene, die eben „Kirche“ als ein Gegenüber sehen und daher sofort nachzudenken und zu grübeln, damit den Ein-Druck weg-debattieren wollen …

Glauben geht konkret

Für die Messfeier am Oktavtag von Weihnachten, 1.1., mit den Barmherzigen Schwestern in der Pflegestation, hatte ich folgende Worte vorbereitet:

  1. Das, was uns sofort als Festinhalt des heutigen Tages einfällt, ist der Beginn eines neuen bürgerlichen Jahres.
    In der Kirche feiern wir darüber hinaus auch einige Festinhalte:
    * Heute ist Oktavtag von Weihnachten: der Abschluss des „innersten Kerns“ gleichsam des Geburtsfestes Jesu Christi.
    * Am 1. Jänner wird die Geburt Jesu aus Maria, der allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter, ganz besonders beleuchtet.
    * Der 1.Jänner ist seit einigen Jahrzehnten für die Päpste der Weltfriedenstag geworden – und auch die 52. Botschaft des Papstes ist eine lesenswerte (http://w2.vatican.va/content/francesco/de/messages/peace/documents/papa-francesco_20181208_messaggio-52giornatamondiale-pace2019.html), beleuchtet sie doch den wesentlichen Beitrag der Politik zum Frieden in der Welt.
    * Der achte Tag nach der Geburt eines Knaben ist für jüdische Eltern aber auch der Tag seiner Namensgebung und damit der Beschneidung, also der Tag der sichtbaren Aufnahme des Jungen in die Gemeinschaft des erstberufenen Volkes Gottes, der Juden. Die Lesung aus dem Galaterbrief und die letzten Worte des heutigen Evangeliums rufen uns diese ganz und gar menschliche Seite aus dem Leben unseres Herrn und Meisters in Erinnerung: „Als [..] die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt.“
  2. Viele Christen im Heute und durch die Geschichte herauf tun sich nicht leicht mit der Tatsache, dass Jesus ein Kind einer Jüdin war und damit selbst Jude. Aber der Gott, an den wir glauben, ist eben nicht einer jenseits des Menschen und damit der Gesellschaft, in die er hinein geboren ist. Er nimmt die Wirklichkeiten unseres Daseins ganz und gar ernst, buchstäblich „mit Haut und Haaren“, so ernst, dass er als Mensch sich unter all die Gesetzlichkeiten stellt, die für einen gläubigen Juden Geltung hatten: Nur indem er uns allen bis ins Letzte (des Todes) gleich geworden ist, ergab sich gleichsam die Möglichkeit der Erlösung aus den Verstrickungen des Menschen, in die er sich selbst manövriert hat.
  3. Vom Menschen Jesus zu abstrahieren und nur mehr den Christus des Glaubens zu sehen ist demnach ganz und gar „gefährlich“, da wir – wenn wir so denken – auf dem Weg sind, den Glauben aus dieser Welt zu entfernen, ihn zu entfremden, als nicht mehr für den konkreten Alltag geeignet zu betrachten und letztlich nur für die „überirdischen“ Wirklichkeiten bedeutsam. Freilich: Jesus wiederum nur als Menschen ernst zu nehmen, als einen „großen Guru“ oder so – und damit haben sich die Christen auch von Anfang an beschäftigt – bedeutet aber auch einen Irrtum, da er Jesus auf eine moralische Instanz reduziert. Dies würde natürlich auch dazu führen, dass wir ihm in allem, also etwa auch der Beschneidung nachfolgen müssten, wenn wir ihn ernstnehmen. Es gilt demnach für uns, wirklich ganz und gar ernst zu machen damit, dass uns in Jesus Christus ganz Gott und ganz Mensch entgegentritt.
  4. Machen wir also unter anderem ernst damit, dass sich Gottvertrauen und Glaube im konkreten Menschsein auswirkt – weil ER Mensch geworden ist. Und dass wir durch die Begegnung/en mit und in dieser Welt auch Gott auf die Spur kommen, wie es in unserem Zukunftsbild formuliert ist. Wenn uns das heutige Fest in dem einen Aspekt der Namensgebung und Beschneidung Jesu auf diese Fährte setzt, dann fängt das Jahr des Herrn 2019 gut an.

Die Bibelstellen, die in der Feier der Messe am Hochfest der Gottesmutter verkündet wurden:
1. Lesung: Num 6,22–27;
2. Lesung: Gal 4,4–7;
Evangelium: Lk 2,16–21